ZÄRTLICHKEIT/
TENDERNESS
Vom Zusammenleben/
About Common Living
verlängert bis 4.10.2020
Sa/So 12.00–18.00
XXV. ROHKUNSTBAU
"Zärtlichkeit/Tenderness.
Vom Zusammenleben/About Common Living"
25 Jahre ROHKUNSTBAU! Das etablierte Brandenburger Kunstfestival feiert im Jubiläumsjahr gemeinsam mit Künstler*innen der vergangenen 25 Ausgaben, darunter viele bekannte Namen aus der internationalen Kunstszene. Zwei Jahrzehnte vor dem großen Landleben-Trend hat ROHKUNSTBAU den Blick auf Rückzugsgebiete abseits der Metropolen gelenkt. Im sommerlich entspannten Dialog mit der Kunst, der Landschaft und den Menschen vor Ort hat das Festival für ein humanes Miteinander und pflegliches Naturverhältnis geworben.
Jahresthemen wie "Kinderszenen" (2005) "Atlantis" (2009), "Macht" (2011), "Revolution" (2014) "Apokalypse" (2015), "Die Schönheit im Anderen" (2017) oder "Achtung – Mind the Gap" (2018) waren Impulsgeber für ein vertieftes Nachdenken über kulturelle, soziale und politische Zusammenhänge. Austragungsorte waren Schlösser (Kulturschloss Roskow, Wasserschloss Groß Leuthen, Schloss Sacrow, Schloss Marquardt) oder Villen (Villa Kellermann in Potsdam) und im Jubiläumsjahr erneut das Barockschloss Lieberose am Saum des Spreewaldes.
Im von der Corona-Pandemie und dem Gebot des "Social Distancing" geprägten Jubiläumsjahr lautet das ROHKUNSTBAU-Motto – scheinbar paradox – "Zärtlichkeit. Vom Zusammenleben“. Kuratorin des Festes des Wiedersehens mit ROHKUNSTBAU-Künstler*innen ist Heike Fuhlbrügge. Die Autorin und Kuratorin löst 2020 den langjährigen ROHKUNSTBAU-Kurator Mark Gisbourne ab.
ROHKUNSTBAU setzt dem Zeitgeist kultureller Coolness und sozialer Härte gezielt die sanfte Macht einer Politik der Zärtlichkeit und eine Strategie der "Revolution der zärtlichen Liebe" (Isabella Guanzini) entgegen. "Zärtlichkeit" und "Zartheit" werden von Anklängen des Kitschigen, Schwächlichen oder Wehleidigen befreit, ohne Schattenseiten (fehlende Distanz oder die Gefahr der Übergriffigkeit) zu übersehen.
Das Spektrum der gezeigten Werke reicht von subtilen Interventionen in den historischen Schlossräumen (Karin Sander) über die gemalte Wucht ›zärtlicher Landschaften‹ (José Noguero) bis hin zur massenmedialen Konservierung zarter Gefühle (Objektkunst von Gregor Hildebrandt aus gepressten Liebesfilmen).
Die russische Videokünstlerin Olga Chernysheva nimmt Betrachter*innen auf eine elegische Dampferfahrt mit. Aus den Schiffslautsprechern dringt russische Volksmusik. Die Menschen freuen sich, tanzen, die Landschaft zieht gemächlich vorüber und bei aller Abgedroschenheit der Situation kommt für Momente eine herrliche Leichtigkeit auf.
In Plastiken von Bettina Pousttchi oder Alicja Kwade drückt sich Zärtlichkeit als innige Verbindung von Stärke und Nachgiebigkeit aus. In den Werken AK Dolvens geht es um den Menschen in der Isolation und Ola Kolehmainen widmet sich Schutzräumen der Innerlichkeit. Leiko Ikemura lässt mit einer janusköpfigen Hasenskulptur auf Ambivalenzen intimer Nähe blicken. Um das Motiv der Doppelgesichtigkeit und das Wechselspiel von Anziehung/Abstoßung geht es auch bei einer Zwillingsfigur von Thomas Scheibitz.
Antithesen zum Zarten formuliert Michael Sailstorfer: Der Künstler rollt mit einem Patchwork aus deutschen Polizeiuniformen Fragen nach Polizeigewalt wie auch Gewalt gegen Polizisten auf. Das Publikum darf den "Polizeiteppich" betreten und sogar darauf herumtrampeln. Thomas Rentmeister berührt Schmerzpunkte, die aus fehlender Solidarität und Humanität resultieren. Das Material seiner raumgreifenden Installation – Bettgestelle und Kinderspielzeug – stammt aus einem verlassenen deutschen Flüchtlingsheim.
Eine Klammer der ausgewählten Werke bilden Zwischentöne, der Charme des Beiläufigen, das Spiel der Fantasie, die Auflösung der Grenzen des Eindeutigen und die besondere Kraft des Subtilen, Sensitiven und Imaginären. „Die Imagination ist die stärkste Kraft in meiner Kunst“, sagt die Künstlerin Leiko Ikemura. Eine Liebeserklärung an 25 Jahre ROHKUNSTBAU als Fest der Kunst und Künstler steuert die in Berlin lebende türkische Künstlerin Ayşe Erkmen mit einer monumentale Außenskulptur bei.
Die 20 Künstler*innen der Jubiläumsausstellung kommen aus unterschiedlichen Nationen, leben aber überwiegend in der deutschen Hauptstadt. ROHKUNSTBAU ist von Beginn an auch ein Schaufenster der Kunstmetropole Berlin im brandenburgischen Naherholungsraum gewesen.
Die Atmosphäre der erzwungenen Unterbrechung durch den Corona-Lockdown, das Leben ohne Handschlag und Umarmung und das Gefühl, auf schwankendem Boden zu stehen sind in das Projekt mit eingeflossen. Noch im April ist unklar gewesen, ob der XXV. ROHKUNSTBAU in diesem Jahr überhaupt stattfinden kann. Die Ausstellung findet unter strikter Einhaltung der Hygieneregeln statt.
25 Jahre ROHKUNSTBAU bedeutet ein Vierteljahrhundert hochkarätige Gegenwartskunst an wechselnden Orten. Die Wortschöpfung ROHKUNSTBAU ist abgeleitet vom ersten Ausstellungsort 1994: eine Betonhalle in Groß Leuthen bei Lübben, die 1989 für die Arbeiterfestspiele der DDR errichtet worden war und Rohbau geblieben ist.
ROHKUNSTBAU XXV. wird veranstaltet vom Verein der Freunde des Rohkunstbaus e.V.
Kuratorin: Dr. Heike Fuhlbrügge
Die 20 Künstler*innen des 25. ROHKUNSTBAU
Olga Chernysheva (Ru) Video, Fotografie
A K Dolven (NOR) Konzeptkunst, Fotografie, Installation
Ayşe Erkmen (TUR) Konzeptkunst
Thomas Florschuetz (DT) Fotografie
Gregor Hildebrandt (DT) Wandarbeiten, Installation
Leiko Ikemura (JP) Malerei, Skulptur
Ola Kolehmainen (FIN) Fotografie
Alicja Kwade (PL) Skulptur
Via Lewandowsky (DT) Installation
Bjørn Melhus (NOR) Film, Video, Installation
Christiane Möbus (DT) Skulptur, Installation
José Noguero (ESP) Malerei
João Penalva (PRT), Videoinstallation
Bettina Pousttchi (DT/IRN) Skulptur, Installation
Thomas Rentmeister (DT) Skulptur, Installation
Julian Rosefeldt (DT) Film, Video
Michael Sailstorfer (DT) Skulptur, Installation
Karin Sander (DT) Konzeptkunst
Yehudit Sasportas (ISR) Zeichnung, Fotografie
Thomas Scheibitz (DT) Malerei, Skulptur